Otmar
und Heidi Adler veröffentlichen „Gesichter Nordhalbens“ in einem
sehenswerten Buch
Nordhalben.
270 bestens wiederhergestellte Arbeiten des Nordhalbener Fotografen
Johann Köstner aus der Zeit zwischen 1900 und 1930 geben einen
einzigartigen Einblick in die Welt des großen Frankenwaldortes zu
Beginn des Industriezeitalters.
Sie
sind nun in Buchform erhältlich, das Werk wird
am Donnerstag, 22.03.2018
um 19:00 Uhr
im Künstlerhaus Nordhalben vorgestellt.
Dahinter stehen Otmar und Ehefrau Heidi Adler, die den
„fotografischen Schatz“ 1978 „gehoben“ hatten. Rund 400
belichtete Glasplatten lagen jahrzehntelang unbeachtet und
ungeschützt in einer alten Scheune, die einem Neffen des Fotografen
gehörte. Beiläufig erfuhr das Ehepaar von diesem zur Entsorgung
vorgesehenen Fund und sah sich die „alten Scherben“ an, schnell
erkennend, was da unter zentimeterdickem Staub verborgen war. In
nächtelanger Arbeit säuberte Heidi die verdreckten und teilweise
zusammen geklebten Negative, während Otmar ihre Ergebnisse in seiner
Amateur-Dunkelkammer auf Papier kopierte. Zutage kamen wunderbare
Aufnahmen, die bisher alle Betrachter in Staunen versetzten. Zum
einen über die gelungenen Arbeiten unter freiem Himmel in häuslicher
Umgebung oder oft auch am nahem Schlossberg, zum anderen über die
vielen Portraits im besten Sonntagsstaat. Dazu aber auch
Landschaftsaufnahmen, winterliche Freuden, Feste und einige Alltags-
oder Arbeitsszenen aus dem Ort. Etliche Platten waren fehlbelichtet
oder beschädigt, aber auch davon haben die Buchautoren Beispiele
ausgewählt, um weitgehende Vollständigkeit zu ermöglichen.
1979
konnten die Nordhalbener erstmals ihren Vorfahren in einer kleinen
Ausstellung im Rathaus ins Gesicht blicken, als sich der Ort an seine
825-jährige Geschichte erinnerte. Damals gab es noch ältere
Herrschaften, die eine ansehnliche Zahl der abgebildeten Personen
identifizieren konnten. 2016 fand dann eine erweiterte Ausstellung
der Fotos in der Alten Schule statt, die erstmals den prägenden
Namen einer anderen historischen Fotoschau anlässlich der
850-Jahrfeier im Gasthof „Weißes Lamm“ adaptierte. Mit rund
3.300 Besuchern hatte die Veranstaltungen einen unerwartet großen
Andrang. Aber es gab ja einiges zu Bestaunen: Die vielfältige
Eleganz vor allem der Damen mit ihren Radhüten, dazu die Noblesse
der Herren, die wohl dem „gehobenen Stand“ angehörten. Aber auch
schon die Schul- Beicht- und Firmkinder waren herausgeputzt, ganze
Familien drapierten sich in freier Natur oder im heimischen Garten.
Manchmal dienten einfache Planen als Hintergrund, zumindest aber bei
den Originalen sind auch die Hofsträucher, die Scheune oder altes
Mauerwerk die gängige Staffage. Im Kontrast dazu Szenerien aus der
umgebenden Kulturlandschaft, den Frankenwaldhöhen, Ausflugszielen
und markanten Gebäuden. Drescharbeit mit großer Dampfmaschine und
vielen gekonnt aufgereihten Menschen im Hof, organisiertes
Rodelvergnügen. Während sich der Fotograf bei den Portraits an den
üblichen Genrevorlagen orientierte, bewies er auch bei seinen
anderen Aufnahmen ein gutes Auge und gestalterische Fähigkeiten.
Gleich war jedoch die hervorragende fotografische Qualität der
Vergrößerungen, die jedes Detail hervorbrachten. All diese Arbeiten
und mehr sind nun im Buch thematisch geordnet.
Soweit
bekannt, fanden die gefundenen persönlichen Zuordnungen samt
„Hausnamen“ Eingang in den Index des Buches, der aber noch viele
Lücken aufweist. Da die Zeitzeugen mittlerweile wohl alle gestorben
sind, wird die Puzzle-Arbeit sicher noch schwieriger, aber so ist das
Buch ein dankbares Feld für Historien-Detektive, die nun in aller
Ruhe zuhause die Bilder analysieren können. Modebegeisterte kommen
hier zum Zug, selten wird eine solche Kleider- und
Accessoire-Vielfalt innerhalb einer definierten Zeitspanne aus einem
Ort zu studieren sein. Darüber hinaus drücken fast alle Bilder ein
offensichtliches Selbstbewusstsein der Dargestellten und ihres
Fotografen aus, obwohl die Zeiten damals auch in Nordhalben lange von
Armut, Krieg und Krankheiten geprägt war. Waren es nur Stolz und
Eitelkeit, die die Bürger zu diesem sicher nicht billigen Vergnügen
bewegten? Auch Haustiere kamen mit aufs Bild, selbst ein Schaf ziert
die fröhliche Runde. Die Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Mangel
und den teils opulenten Bildern wäre sicher eine wissenschaftliche
Betrachtung wert.
Das
Buch „Gesichter Nordhalbens – Photografische Fundstücke
1900-1930“mit 288 Seiten erscheint als NohA-Projekt im Eigenverlag
unter Mithilfe von Victor Cleve aus Essen (Layout) und Siegfried
Scheidig aus Ludwigsstadt (Digitalisierung). Der im Vergleich zu
Aufwand und Wert günstige Preis (29,00 Euro) wurde zur reinen
Kostendeckung kalkuliert, etwaige Überschüsse werden für die
nächsten NohA-Vorhaben verwendet. Die Herausgeber Otmar und Heidi
Adler stellen ihr Werk im Künstlerhaus am Lindenplatz vor. Die
Präsentation wird mit Bildern der Ausstellung und Fotoutensilien
dekoriert, zur Feierstunde spielt das „NohA-Quartett“ Musik aus
der Entstehungszeit der Aufnahmen. Eingeladen sind alle Interessierte
aus Nordhalben und Umgebung (kein Eintritt). Die Buchautoren stehen
für Nachfragen und anregende Gespräche zur Verfügung. nn
Zum
Fotografen:
Johann „Schanni“ Köstner, dessen Nachfahren das
Gemischtwarengeschäft „Hutela“ im Ort betrieben, war wohl kein
gelernter Fotograf. Den jungen Mann hatte die Not nach Amerika
vertrieben, aus dem er um die Jahrhundertwende mit vielen neuen
Eindrücken zurückkehrte. Vielleicht hatte er dort die
Fotografiererei entdeckt, die er dann daheim mit einer
13x18-Stativ-Plattenkamera nebenberuflich einsetzte. Viel mehr weiß
man heute nicht mehr von ihm, es existieren jedoch einige Portraits.
Auch er blickt so, als wenn er durchaus wüsste, welchen großen
Dienst er mit seinen Bildern der Nachwelt machen würde.
Zu
den Herausgebern:
Otmar
und Heidi Adler sind maßgebliche Mitgründer und „Macher“ der
Nordhalbener Bürgerinitiative „NohA“ sowie des Künstlerhauses.
Der Seniorchef des ortsansässigen Unternehmens „Adlerhaus“
fotografiert selbst ambitioniert seit seiner Jugend und ist zusammen
mit seiner Frau Kunstliebhaber mit vielen Kontakten in die
Kunstszene. Die Geschichte Nordhalbens zu bewahren ist beiden ein
besonderes Anliegen, das auch im Historischen Ortsmuseum Nordhalben
mündete.
Für NohA von Norbert Neugebauer
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wir freuen uns über Ihre Anregungen und Kommentare!